Lösungsfokus:
Vom Problem zur Lösung

Der Zauber im Coaching beginnt mit der Definition eines Ziels.
Wir, die Autoren, können uns gar nicht mehr recht erinnern, wann wir dieses vielleicht wichtigste Erfolgsgeheimnis des Coachings in vollem Umfang begriffen haben: Problem und Lösung haben nichts gemeinsam.
Wenn Sie selbst coachen oder schon einmal ein Coaching genossen haben, dann ist das vielleicht nichts Neues mehr für Sie. Sollten Sie noch keine eigene Coaching-Erfahrung haben, kommt es Ihnen vielleicht geradezu verrückt vor. Hört man dies zum ersten Mal, ist es kaum vorstellbar. Wie jetzt: Problem und Lösung sollen nichts miteinander zu tun haben?
Problem und Lösung haben nichts gemeinsam, außer einer Sache:
Derjenige, der die Situation als Problem oder problematisch beschreiben kann, der kann auch eine Lösung finden.

„Null Problemo!“ (aus „Alf“, TV-Serie)

Und der Begriff „Lösungsfokus“ bedeutet: Wir schauen nicht auf das Problem, sondern bewusst auf das Finden einer Lösung. Es geht nicht um die Analyse der Vergangenheit, sondern um eine gewünschte (subjektive) Verbesserung in der Zukunft (de Shazer, 2009). Wobei diese Zukunft in eben dieser Sekunde beginnen kann.
Daher stellt der Coach von Gesprächsbeginn an Fragen, die auf die Zukunft gerichtet sind. Er fragt, wie es der Probleminhaber künftig gerne hätte. Selbst zu einem Zeitpunkt, wo der Coach technisch gesehen noch gar nicht Coach ist, weil er hierfür noch keinen expliziten Auftrag bekommen hat (vgl. Kapitel „Auftrag“, Seite 107).

Fragen nach der Zukunft und nach der Lösung „tun“ etwas anderes, als Fragen nach der Vergangenheit und nach dem Problem. Vergangenheitsfragen führen zu Rechtfertigungen und zu einem „Zurechtlegen der Fakten“. Das trifft für jeden Coaching-Prozess zu. Ganz besonders relevant wird diese Erkenntnis jedoch im firmeninternen Kontext. Hier können sich Mitarbeiter fast zu Rechtfertigungen genötigt fühlen. Denn Ursachenforschung verleitet zur Suche nach Schuldigen. Aus „Was ist das Problem?“ wird „Wer ist das Problem?“.
Dass wir Menschen es so sehr gewohnt sind, in Problemanalysen zu denken, dürfte etwas mit der Industrialisierung zu tun zu haben. Denn Analysen funktionieren ganz ausgezeichnet bei Maschinen. Jemand stellt fest, was das Problem ist und sucht nach der Ursache. Er fragt nach dem „Warum“ und „Wieso“ und leitet daraus logische Lösungen ab. Das funktioniert bei allen Systemen, die lineare Wechselwirkungen haben. Die dem einfachen Schema „aus A folgt B“ gehorchen. Das trifft auf alle technischen Systeme zu und Heinz von Foerster nennt diese Systeme „trivial“ (von Foerster, 2008, 54). Die Lampe brennt nicht. Warum ist das so? Die Glühbirne ist beispielsweise kaputt. Lösung: Tausche die Glühbirne aus und die Lampe brennt wieder.

Menschen und ihre Probleme funktionieren nicht linear, auch wenn wir das in vielen Fällen gerne so hätten (von Foerster, 2008, 54 ff.). Wenn es keine lineare „Wenn-Dann“-Kausalität in Menschen gibt, dann existiert auch keine direkte Verbindung aus Ursache, Problem und Lösung. Wenn Sie Lösungen finden möchten, schaffen Sie das in den seltensten Fällen über Problemanalysen (sofern es sich um non-triviale Systeme, wie Menschen, handelt) (von Foerster, 2008, 56).
Allein die Beschreibung des Problems in allen Einzelheiten und die Art und Weise, wie wir uns damit beschäftigen, kann das Thema größer erscheinen lassen. Manchmal stabilisieren sich Probleme durch ihre Konkretisierung und es erscheint (nur noch) schwerer, jemals eine Lösung zu finden. Jeglicher Zugang zur Lösung wirkt dann wie versperrt.

Was uns in diesem Zusammenhang auch wichtig ist: Wenn wir sagen „weg vom Problem“ und „hin zur Lösung“, dann meinen wir nicht die Nutzung eines neuen Wortschatzes oder eine originelle Umformung, nach dem Motto: „Lassen Sie uns nicht mehr vom Problem reden. Sprechen wir lieber anstatt dessen von der H-e-r-au-s-f-o-r-d-e-r-u-n-g.“ Alleine die Tatsache, dass der Probleminhaber dem „Kind einen neuen Namen gibt“, wird den Fokus auf das Ziel oder die Lösung nicht erzeugen.

Was jedoch definitiv einen Unterschied macht, ist die direkte Frage nach dem Ziel bzw. nach der Lösung: „Was ist Ihr Ziel in dieser Sache?“ oder „Was wollen Sie erreichen?“
So fängt der Klient an, nach vorne zu schauen. Und wenn ihm das anfangs vielleicht nur im Sinne einer Negation gelingt, wie z.B. „Ich möchte nicht mehr, dass (…).“, dann ist dies bereits ein wichtiger Schritt hin zur Lösung. Es ermöglicht dem Coach nämlich, zu fragen: „Aha – und was möchten Sie anstatt dessen?“
So ist der Einstieg geschafft. In der Folge achtet dann der Coaching-Anwender bewusst auf positive Formulierungen durch den Coaching-Klienten. Wichtig ist: hier geht es oft um eine sprachlich positiv formulierte Zielbeschreibung. Diese positive Formulierung hat rein gar nichts mit einer emotionalisierenden „Chakka-Chakka-Go-Go“-Strategie zu tun. Ganz nach dem Motto: Hauptsache positiv! Nein, wir betonen es deshalb, weil sich aus der der Erkenntnis, was jemand nicht oder nicht mehr möchte, definitiv noch keine direkten Kriterien für die Zukunft ableiten lassen. Denn dafür braucht es noch etwas anderes.